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Fachinformationen
Informationen zu FGM/C
Dem Risiko von weiblicher Genitalverstümmlung oder Female Genital Mutilation/Cutting (FGM/C) sind laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) jährlich rund drei Millionen Mädchen ausgesetzt und weltweit gibt es über 200 Millionen Betroffene. Mindestens 44 Millionen Betroffene sind jünger als 15 Jahre (WHO 2017). Aufgrund der Migrationsbewegungen der vergangenen Jahre steigt auch in Österreich die Anzahl der von FGM/C betroffenen oder gefährdeten Mädchen und Frauen. Schätzungen zufolge lebten 2016 ca. 6.000 bis 8.000 betroffene Frauen in Österreich (EIGE 2013). Die Dunkelziffer liegt aber vermutlich deutlich höher.
Die Beschneidung findet meist vor der Pubertät statt, häufig bei Mädchen zwischen vier und acht Jahren, inzwischen auch vermehrt bei Säuglingen, die erst wenige Wochen oder Monate alt sind. Es gibt Hinweise darauf, dass FGM/C auch in Österreich, sowie im Zuge von Urlaubsreisen in den Herkunftsländern praktiziert wird. Schätzungen des Gesundheitsministeriums zufolge dürften ca. 100 Mädchen bzw. Frauen jährlich davon betroffen sein.
Prävalenz von FGM/C
FGM/C ist vor allem in westlichen, östlichen und nordöstlichen Regionen Afrikas, in einigen Ländern Asiens sowie im Nahen Osten verbreitet. Insbesondere Länder wie Somalia, Eritrea, Sudan, Ägypten, Guinea, Sierra Leone, Mali und Djibouti weisen hohe Beschneidungsraten auf.
Gemäß der Klassifikation der WHO werden 4 Formen der Genitalverstümmelung unterschieden:
- Typ 1: „Klitoridektomie“
- Typ 2: „Exzision“
- Typ 3: „Infibulation“
- Typ 4: „diverse, nicht klassifizierbare Praktiken“ z.B.: Piercing, Einschnitt oder Einriss der Klitoris
Tipps für die Gesprächsführung
In der Praxis wenden sich betroffene Frauen selten proaktiv mit dem Thema FGM/C an eine Beratungsstelle. Erst gesundheitliche Probleme und der Leidensdruck veranlassen die Frauen, Hilfe zu suchen. Diese gesundheitlichen Probleme sind oftmals Folgen der Verstümmelung, werden aber von vielen Frauen nicht damit in Zusammenhang gebracht. Für sie gehören Schmerzen zum Frausein dazu. Erst nach dem behutsamen Aufbau einer Vertrauensbasis ist es möglich, mit den Frauen über die Ursache ihrer Schmerzen zu sprechen und sie über die gesundheitlichen Folgen von FGM/C und die Behandlungsmöglichkeiten aufzuklären.
Wichtig für das Gespräch mit Betroffenen und potenziell Gefährdeten:
- Nehmen Sie sich ausreichend Zeit. Sorgen Sie für eine ruhige, ungestörte Atmosphäre.
- Sprechen Sie die Frau nicht direkt auf ihre persönliche Betroffenheit an. Besser ist zunächst zu erfragen,
ob Beschneidung im Umfeld der Frau üblich ist.
- Achten Sie darauf, wie sich die Frau ausdrückt, und greifen Sie die von ihr verwendeten Begriffe auf,
etwa „Beschneidung“. Vermeiden Sie drastische Begriffe wie „Verstümmelung“.
- Machen Sie Ihren Standpunkt deutlich ohne zu verurteilen oder Ihre Erschütterung darüber zu thematisieren.
Zeigen Sie Respekt und Empathie.
Wir bieten Schulugen für Fachkräfte im Umgang mit betroffenen Frauen. Hier finden Sie mehr Informationen zu unserem Angbot und aktuellen Schulungen
Sie wollen mehr Informationen zum Thema FGM/C?
Hier finden Sie Infomaterial, Leitfäden und zusätzliche Hintergrundinformationen zu FGM/C
Rechtliche Lage in Österreich bezüglich FGM/C
Menschenrechte
FGM/C stellt eine Menschenrechtsverletzung dar. Die Praktik verletzt unter anderem die Kinderrechte, das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Gesundheit; sie ist eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung und gilt als geschlechtsspezifische Gewalt und Diskriminierung von Frauen und Mädchen.
Ein wichtiges völkerrechtliches Übereinkommen in Bezug auf FGM/C ist die Istanbul Konvention, welche in Österreich seit 2014 in Kraft ist und verschiedene Formen von Gewalt gegen Frauen umfasst.
Verbot von FGM/C
Die Vornahme von FGM/C ist in Österreich strafbar; sie gilt als Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen.
Verbot von FGM/C
Die Vornahme von FGM/C ist in Österreich strafbar; sie gilt als Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen.
Durch das Gewaltschutzgesetz 2019 wurde FGM/C im österreichischen Strafgesetzbuch (StGB) explizit zu einer Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen erklärt (§ 85 StGB). Strafbar ist laut StGB konkret die „Verstümmelung oder sonstige Verletzung der Genitalien, die geeignet ist, eine nachhaltige Beeinträchtigung des sexuellen Empfindens herbeizuführen“. Es drohen bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe.
Wer kann bestraft werden?
Einerseits kann die Person bestraft werden, die FGM/C an einer Frau durchführt (Ärzt:innen, Beschneiderinnen…). Aber auch Eltern können in manchen Fällen für die Vornahme von FGM/C an ihren Töchtern bestraft werden.
Wer kann bestraft werden?
Einerseits kann die Person bestraft werden, die FGM/C an einer Frau durchführt (Ärzt:innen, Beschneiderinnen…). Aber auch Eltern können in manchen Fällen für die Vornahme von FGM/C an ihren Töchtern bestraft werden.
Die Eltern eines betroffenen Mädchens können sich in folgenden Fällen strafbar machen:
– Wenn die Eltern die Vornahme von FGM/C veranlassen.
– Wenn die Eltern direkt an der Ausführung beteiligt sind (z.B. durch Festhalten des Mädchens).
– Wenn die Eltern maßgeblich zur Planung der FGM/C an ihrer Tochter beitragen (z.B. Organisation einer Reise der Tochter in das Land, wo die Vornahme von FGM/C stattfinden soll).
– Eltern haben ihre Kinder grundsätzliche vor Anwendung von Gewalt zu schützen. Daher können sie sich auch alleine dadurch strafbar machen, dass sie es unterlassen, FGM/C an ihrer Tochter zu verhindern (sofern ihnen dies möglich war).
Auch jede andere Person, die an der Vornahme von FGM/C als Helfer:in mitwirkt, kann bestraft werden.
Vornahme von FGM/C im Ausland ist strafbar
Auch die Vornahme von FGM/C im Ausland kann in Österreich bestraft werden.
Vornahme von FGM/C im Ausland ist strafbar
Auch die Vornahme von FGM/C im Ausland kann in Österreich bestraft werden.
Die Person, die bestraft werden soll (z.B. die Eltern) und die betroffene Person brauchen dabei nicht selbst Österreicher:in zu sein. Bereits wenn eine/r der beiden den gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat, kann dies strafbar sein.
Bsp.: Eine in Österreich lebende Mutter fliegt mit ihrer Tochter (beide somalische Staatsbürgerinnen) nach Somalia, um bei der Tochter eine FGM/C vorzunehmen. Die Mutter macht sich in Österreich strafbar.
Einwilligung schließt nicht die Strafbarkeit aus
Auch wenn eine betroffene Frau der Vornahme von FGM/C an sich selbst ausdrücklich zustimmt, ändert das nichts daran, dass sich die Person strafbar macht, die FGM/C an ihr durchführt (§ 90 Abs 3 StGB).
Die zustimmende Frau selbst macht sich nicht strafbar.
Verjährung
Bei FGM/C gibt es für minderjährige Betroffene besondere Verjährungsfristen.
Verjährung
Bei FGM/C gibt es für minderjährige Betroffene besondere Verjährungsfristen.
Wenn ein von FGM/C betroffenes Mädchen zum Zeitpunkt der FGM/C noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet hat, beginnt die Verjährungsfrist erst in dem Moment zu laufen, wo es das 28. Lebensjahr vollendet. Von diesem Zeitpunkt an beträgt die Verjährungsfrist (je nach Fall) 5 oder 10 Jahre. Bei volljährigen Frauen beginnt die Verjährungsfrist gleich zu laufen.
FGM/C als Asylgrund
In Österreich wurde in einigen Fällen der Asylstatus auf Grund von FGM/C zuerkannt.
FGM/C als Asylgrund
In Österreich wurde in einigen Fällen der Asylstatus auf Grund von FGM/C zuerkannt.
Entsprechend sensibilisiertes Personal (Rechtsberatung, Dolmetscherinnen etc.) im Asylverfahren ist in diesem Zusammenhang besonders wichtig. Nur so kann gewährleistet werden, dass betroffene Frauen auch in der Lage sind, alle rechtlich relevanten Angaben zu machen.
Bei der Einvernahme über die Fluchtgründe müssen Asylwerber:innen, die Eingriffe in ihre sexuelle Selbstbestimmung erlebt haben, von einer Person desselben Geschlechts einvernommen werden, wenn sie dies nicht ausdrücklich anders wünschen.
Melde- und Anzeigepflichten im Zusammenhang mit FGM/C
Manche Berufsgruppen (z.B. Ärzt*innen, Psycholog*innen, Hebammen) müssen bei begründetem Verdacht auf FGM/C unter gewissen Voraussetzungen eine Anzeige bei der Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft erstatten. Sollten minderjährige Mädchen betroffen sein, kommt außerdem eine Meldung an das Jugendamt in Betracht. Von der Anzeigepflicht an Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft gibt es bestimmte Ausnahmen.
Die Melde- und Anzeigepflichten und deren Ausnahmen sind eine komplexe Angelegenheit. Es bedarf stets einer genauen Analyse des konkreten Einzelfalls. Gerne können Sie uns in einem konkreten Fall dazu über das Infotelefon oder eine Mail an info@fgm-koordinationsstelle.at kontaktieren.
Melde- und Anzeigepflichten im Zusammenhang mit FGM/C
Manche Berufsgruppen (z.B. Ärzt*innen, Psycholog*innen, Hebammen) müssen bei begründetem Verdacht auf FGM/C unter gewissen Voraussetzungen eine Anzeige bei der Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft erstatten. Sollten minderjährige Mädchen betroffen sein, kommt außerdem eine Meldung an das Jugendamt in Betracht. Von der Anzeigepflicht an Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft gibt es bestimmte Ausnahmen.
Die Melde- und Anzeigepflichten und deren Ausnahmen sind eine komplexe Angelegenheit. Es bedarf stets einer genauen Analyse des konkreten Einzelfalls. Gerne können Sie uns in einem konkreten Fall dazu über das Infotelefon oder eine Mail an info@fgm-koordinationsstelle.at kontaktieren.
Die Ausnahmen von der Anzeigepflicht sind:
Widerspruch: Wenn eine erwachsene Frau der Anzeige widerspricht, darf nicht angezeigt werden, außer die Frau ist unmittelbar gefährdet. Minderjährige können der Anzeige nicht wirksam widersprechen.
Anzeige gegen Angehörige: Bei Minderjährigen kann die Anzeige unterbleiben, wenn sie sich gegen Angehörige richten würde und es dem Wohl der Minderjährigen dient, die Anzeige zu unterlassen.
Schädigung des Vertrauensverhältnisses: Wenn durch eine Anzeige das Vertrauensverhältnis zur Betroffenen geschädigt würde, muss nicht angezeigt werden, außer die Frau/das Mädchen ist unmittelbar gefährdet. Auch bei Minderjährigen kann eine Anzeige unterbleiben, wenn das Vertrauensverhältnis geschädigt würde.
Bei Minderjährigen ist in den Fällen, wo eine Anzeige unterbleiben kann, jedoch unter Umständen das Jugendamt zu informieren. Dies ist dann der Fall, wenn eine aktuelle Gefährdung des Kindeswohls besteht und diese nicht durch fachliche Intervention der/s Mitteilungspflichtigen verhindert werden kann.
Bitte informieren Sie sich auch hierzu gerne näher über unser Infotelefon.
Genauere rechtliche Informationen finden Sie auch im Bereich „Materialien“.